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Schreiberfahrungen Ankündigung

Nachfolgend werde ich keine Anleitung liefern, wie man schreibt, was man schreiben sollte, welche Schreibtechniken es gibt, wie man einen Verlag findet, die größtmögliche Reichweite erreicht usw. Ich habe auch kein echtes Ziel, das ich mit diesem Text verfolge. Lediglich einen Drang, ein Bedürfnis oder einen Antrieb, der mich regelmäßig befällt und dem ich nachzugeben versuche, indem ich über das schreibe, was mich manchmal am meisten beschäftigt: das Schreiben als persönliche Erfahrung auf dem Weg vom ersten Satz bis zur letzten Seite (falls es überhaupt eine gibt). Eine Reise in die Tiefen und Untiefen, die Bewusstheit und Unbewusstheit meines Geistes, meiner Psyche, meiner Gefühle. Ich werde versuchen, so klar und ehrlich alles wiederzugeben, was mich beschäftigt, welche Gedanken ich hege und hegte, die mich dazu bewogen, auf verschiedene Weise Dinge niederzuschreiben, die mir wichtig erschienen. Vermutlich werden sich Themen wiederholen, weil ich den Überblick verliere. Ich habe nicht vor, dass hieraus ein mehrere hundert Seiten starkes Buch entsteht. Wie ich mich kenne, werde ich trotzdem über das Ziel hinausschießen. Mit ziemlicher Sicherheit wird das sogar passieren, sodass ich mich am Ende ärgere, während es den Leser überhaupt nicht stört. Außerdem werde ich viel zwischen dem, was und wie ich jetzt schreibe, und dem, wie ich einmal geschrieben und gedacht habe, hin und her springen wie eine aufgescheuchte Gazelle, weil ich nicht bei einem Thema bleiben kann.

 

Im Grunde wird der Text, wenn ich ihn schreibe wie angekündigt, ein Fest der zahllosen Gedanken und des Bewusstseinsstroms wie ihn James Joyce in „Ulysses“ in vollendeter Form vorgestellt hat. Keine Angst, so schrecklich kompliziert und undurchschaubar soll es nicht werden. Wenn es ein übergeordnetes Ziel gibt, dann, dass ich mir wünsche, dass jemand liest, was ich niederschreibe. Worauf ich mich freue, sind die vielen Interpretationen meiner Leser zu meinen bisherigen Werken, die ich genüsslich werde einfließen lassen, um dann über sie zu sinnieren und sie auseinanderzunehmen. Von denen gibt es mittlerweile einige, die ich ohne Kontext kaum einarbeiten kann.

 

Vielleicht wird dieses Projekt scheitern, wie viele andere vorher. Scheitern gehört für den Schreibenden zum Alltag. Ich kann keine Zahlen aus irgendwelchen Studien nennen (alles, was ich behaupten werde, basiert nur auf eigener Wahrnehmung); für mich gilt, dass etwa 60-70% meiner Texte unvollendet als Fragmente in der berühmten „Schublade“ landen und dort in der Hoffnung, irgendwann von mir wiederentdeckt zu werden, dahindarben. Allein der Begriff „Schublade“ ist hoffnungslos veraltet, weil die meisten ernstzunehmenden Autoren (vor allem der jüngeren Generationen X und Z) nur noch digital schreiben und kaum mehr analog mit dem Stift auf Papier. Ich selbst bin das beste Beispiel und tippe diesen Text aufwendig auf einem Bildschirm ein. Bei ihnen (oder uns?) verschwinden unvollendete Texte somit in irgendeinem Ordner auf einem später vergessenen Laufwerk, das verloren geht, wenn es nicht beim Wechsel zu einem neuen Gerät übertragen wird. Arme Fragmente. Ich bemühe mich, dass das hier nicht passiert, obwohl ich mich immer wieder neu werde motivieren müssen, da ich in einer momentan schwierigen (emotionalen) Lage bin. Ich befinde mich im ruhigen Zwischenspiel zwischen zwei Toden. Der eine, bereits geschehen, nahm mich so sehr mit, dass ich wochenlang nicht schrieb. Wenn ich es doch wagte, verlor ich schnell die Lust und den Elan. Der andere, noch nicht geschehen, wird womöglich schlimmer werden, oder auch nicht. Ich weiß es nicht. Von diesem zukünftigen Tod wird abhängen, ob ich diesen Text weiterschreiben werde oder er still verschwindet, ohne jemals von jemand anderem gesehen zu werden. Davor habe ich Angst. Denn wenn ich weiterschreiben werde, wird sich das darauf auswirken, wie ich weiter verfahre. Dass ich den zukünftigen Tod zumindest erwähne, wird das mindeste sein.